Wenn in der Adventszeit tausende Menschen dicht gedrängt in dicke Jacken gehüllt die Straßen der Bergstädte säumen, sind die Berg männer der Berg- und Hüttenvereine nicht weit. Schon von weitem erkennt man sie an den aufwendig verzierten Paradehabits – den Uniformen, die sie bei den Bergaufzügen tragen. Kennern vom Fach verraten Farben und Formen, in welchem Bergrevier die Männer zuhause sind.
Einer, der sich damit genau auskennt, ist Markus Seiler. Aus seiner Hand stammen die meisten der hochwertigen Uniformen. Sie tragen an dezenter Stelle den golden gestickten Schriftzug „Trachtenseiler“. Dass sich dahinter der einzige Hersteller deutschlandweit verbirgt, ist sicher den wenigsten bewusst.
Mitten in der Bergstadt Marienberg betreibt er die Maßschneiderei mit Ladengeschäft. Landhauskleider mit Blümchen oder frech kariert reihen sich an Lederwesten, Loden und Filzhüte. Mittendrin: eine schwarze, schlichte Jacke, die erst auf den zweiten Blick mehr hermacht als vieles andere im Verkaufsraum – der Freiberger Bergkittel. Er ist das Kleidungsstück für besonders festliche oder offizielle Anlässe. Seine Herstellung unterliegt ebenso einer Trachtenordnung wie die des Berghabits. Letztere Ordnung - „Trachten der Berg-und Hüttenleute im Königlichen Sachsen“- stammt aus dem Jahre 1831.
Heute, 180 Jahre später, ist der Bildband mit Kupferstichen für den Maßschneider wertvolle Basis der inzwischen CAD-programmierten Schnittmuster - auch wenn die Kupfertafeln heute lediglich kopierte Versionen der Originale sind. Sie geben mit detaillierten Beschreibungen preis, was jedes einzelne Kleidungsstück der Bergleute in den unterschiedlichen Revieren ausmacht.
Der Laie erfreut sich bei den traditionellen Bergaufzügen im Erzgebirge an einer Ansammlung von teils prächtig geschmückten Bergmännern. Wer genauer hinschaut, erkennt, dass die Knappschaften je nach Herkunft und ihren Tätigkeiten einen Querschnitt durch ihre verschiedenen Hierarchiestufen zeigen. Von der prächtigen Uniform des Oberberghauptmanns mit Samtjacke und Samthut und den vielen Stickereien bis hin zum viel schlichteren Habit des Hauers. Dazwischen finden sich Zimmermann und Schmied, Offizianten, Hüttenälteste, Schichtmeister und viele mehr.
Und auch wenn die Stoffe rein optisch bei Rangniederen schlichter werden, sind sie nicht von minderer Qualität. „Wir verwenden ausschließlich hochwertige Materialien aus Deutschland, die auch wirklich strapazierfähig sind“, erklärt Markus Seiler. Schließlich weiß er, wie vielen Anlässen bei jedem Wetter eine Tracht trotzen muss.
Sogar die Hüte fertigt der „Trachtenseiler“ in seiner Werkstatt selbst – die grünen für die Bergleute und die schwarzen für die Hüttenarbeiter, mal mit Federbüschel und Schweißtuch, mal ohne – je nach dem, wie viel „Luxus“ dem Bergmann laut Rang zusteht.
Tausend kleine Dinge sind es, die das Habit eben erst komplett machen. Gut eine Woche näht Seiler an Puffjacke, Weste, Arschleder, Kniebundhose, Knieleder und Gamaschen, befestigt dreißig Knöpfe mit Schlägel und Eisen und mehrere Meter Flecht- und Samtband, Fransen und Kordeln, von denen die meisten natürlich nicht „von der Stange“ sondern selbst gemacht sind. Einmal nur nimmt der Fachmann dafür am Kunden Maß – das richtige Augenmaß und eine große Portion Erfahrung ersetzen weiteren Aufwand.
„Erst“ Achtzig Jahre jung ist die Ordnung des eleganten Freiberger Bergkittels. Er ist der Festtagskittel, der heute nicht nur von Bergmännern zu Feierlichkeiten getragen wird. Vielmehr ist er das schicke Kleidungsstück, mit dem sich sein Träger stolz zum Erzgebirge bekennt. „Jeder Bergkittel, der getragen wird, ist eine Bereicherung für die Region“, stellt Seiler klar. Sogar Studenten, die an der Technischen Universität Freiberg ihre Abschlussarbeit verteidigen, gehören zum Kundenkreis des Schneidermeisters. Der dreifache Familienvater findet diesen Trend gut: „Es ist wichtig, dass Traditionen erhalten bleiben und die Kinder und Enkelkinder noch etwas über unser Brauchtum erfahren – auch wenn die wenigsten Bergleute in den Knappschaften der Region heute noch echte Bergmänner sind.“
Maßschneiderei und Landhausmoden Trachten-Seiler www.trachten-seiler.de
Fotos Tourismusverband Erzgebirge e.V./Wolfgang Schmidt:
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